"RT Lun", Insel Pag
by: Eva-Maria Reiter • 18. Oktober 2003

„RT Lun“
Steilwand am Nordende der Insel Pag

Die Kvarner Bucht, und insbesondere die Insel Rab ist berühmt für ihre herrlichen Steilwände, die die zerklüfteten Felsen der Insel bis in Tiefen fortsetzen, die für Sporttaucher kaum noch erreichbar sind.
Tabiwsa ist ein Beispiel für die spektakulären Steilwände und verspricht einen unvergesslichen Tauchgang!

Wir fuhren mit beiden Booten von Mirkos Tauchertreff am frühen Nachmittag zum Tauchplatz am Nordende der Insel Pag. Der Tauchspot ist in annehmbarer Zeit von Barbat (Rab) aus zu erreichen. Die Boote ankerten senkrecht zur Uferlinie, nahe am Felsen. Mittlerweile hatte sich der Herbstwind etwas abgeschwächt und auch der Wellengang war etwas ruhiger geworden.

Abgetaucht finden wir uns auf einer felsigen Fläche wieder, die mit Seegrasbüscheln und sandigen Stellen durchsetzt ist, ca. 6 – 8 m unter dem Boot. Wir schweben langsam die sanft abfallenden Fläche entlang, nehmen die Farben und Formen in uns auf. Da – ein vielleicht 30 cm großer, unauffällig gefärbter Fisch steht aufmerksam über dem Grund. Als wir uns nähern, passiert etwas Ungeheuerliches: er spreizt dürre Beinchen unter seiner Brust hervor und krakelt über den Sand davon. Aufgeregt bleibt er nach einem halben Meter Flucht stehen und breitet seine linke Brustflosse wie einen Flügel aus – und nun erkenne ich ihn am blaugesäumten Rand dieser Flosse: ein Knurrhahn. (Natürlich besitzt ein Knurrhahn keine Beinchen, sondern bewegt sich auf den ersten drei frei beweglichen Brustflossenstrahlen fort! Aber das habe ich erst später nachgelesen ...).

Nach wenigen Minuten erreichen wir die obere Kante der Steilwand, die an dieser Stelle fast parallel zur Uferlinie verläuft. Wir sinken schnell auf ca. 30 - 35 m Tiefe ab, um von dort an stetig am Fels entlang wieder höher zu steigen. Die Steilwand präsentiert sich in den typischen Farben des Mittelmeers, die in ihrer Leuchtstärke nicht den Vergleich mit der bunten Vielfalt des Roten Meeres zu scheuen brauchen: dunkles Gold der Schwefelschwämme, helles Gelb der Gorgonienfächer, leuchtendes Orange der Korallen, tiefes Rot der Seescheiden, dazwischen wehen die lila gefärbten Tentakelspitzen der weißen Wachsrosen und das satte Grün der Algen! Glück für den, der eine Lampe mitgebracht hat, um diese Farbenpracht richtig genießen zu können. Wir wissen gar nicht, wohin wir zuerst schauen sollen: hinaus ins tiefe Blau, in dem beeindruckende Schwärme von Mönchsfischen und Brassen an uns vorbeiziehen, oder auf die karstige Felswand, vor deren Spalten und Ritzen reges Leben zu bewundern ist: Meerjunker und Meerpfauen gleiten bedächtig vorbei, einmal auch ein etwas größerer Pfauenlippfisch mit schöner Färbung.

Bei 100 bar drehen wir um und gehen höher. Auf ungefähr 6 bis 7 m kommen wir wieder auf das Plateau – doch unerwartet trifft uns hier plötzlich eine starke Strömung, die uns zum Austauchen tief auf den flachen Grund drückt. Der Boden hier im Flachbereich ist übersät mit Seegurken und mit Seeigeln, die in ihren schwarzen Stacheln Seegrashalme mit sich tragen. Die vereinzelt zwischen leuchtendroten Seesternen und gelben Krustenanemonen liegenden leeren Gehäuse der Seeigel verlocken fast dazu, sie aufzusammeln und sie als Erinnerung an diesen Tauchgang mit nach Hause zu nehmen. Doch sie könnten ja immer noch für Einsiedlerkrebse und andere Tierchen als Wohnstatt dienen und gehören einfach mehr hierher, als zuhause in die Vitrine. Immer wieder erheben sich helle Röhren aus dem Boden, aus denen sich die Tentakelkronen der Schraubensabellen und anderer Kalkröhrenwürmer hervorstrecken, bevor sie blitzschnell auf unsere Bewegungen reagieren und sich wieder in ihre schlanken Röhren zurückziehen! Und dann, kurz vor dem Auftauchen, entdecken wir noch eine Leopardenschnecke, die aufgrund ihrer Färbung (dunkle runde Flecken auf weißem Körper) gut auf einem Feigenschwamm auszumachen ist: beachtlich, welche Mengen so ein kleines Tierchen abweiden kann!

Ohne Souvenir, aber mit den tollsten Erinnerungen tauchen wir nach fast 50 Minuten vor dem Boot wieder auf – und nur die Kälte und unser Luftverbrauch zwingt uns, das Wasser zu verlassen. Wir würden sonst gerne noch ettliche Minuten hier die Adria bestaunen ...


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